Situative Interpretation von komplexen Problemen

Schon länger beobachte ich verschiedene Entwicklungen in der Gesellschaft und die dazugehörigen Diskussionen in der Öffentlichkeit. Was mir dabei immer wieder auffällt, ist eine Form der Banalisierung von komplexen Zusammenhängen, welche grosszügig ausgeblendet werden, um seine derzeitigen Interessen, welche zu oft die Halbwertszeit einer Laune haben, zu vertreten oder noch viel extremer gleich mal einzufordern. Oft wird mit einem «Recht auf...» argumentiert. Hier entsteht dann klassisch eine Verwechselung von Interessen und Recht. Des Weiteren ist die freie Meinungsäusserung, welche unbestritten eines der höchsten Güter in einer Demokratie ist, nicht gleich auch ein Recht, diese Meinung und die damit verbundenen Interessen einfordern zu dürfen. Dafür benötigt es dann in den allermeisten Fällen eine Mehrheit, welche die Interessen ebenfalls vertritt und somit das demokratische Fundament geschaffen wird, welches allfällige Anpassungen vom Statusquo rechtfertigt.

Aber kommen wir nochmals auf die Banalisierung von komplexen Zusammenhängen zurück. So entstehen nämlich Bewegungen, welche einen breiten Zuspruch finden, weil es einfach ist eine Forderung auf ein Plakat zu schreiben, auf die Strasse zu gehen und für etwas zu demonstrieren, was in aller Konsequenz aber gar nicht durchdacht ist und man die Verantwortung der Konsequenzen dann gleich auch mal noch von sich weist. Das zeigt, dass es die Meisten auch gar nicht interessiert, weil die Demo an sich ja eher schon Eventcharakter bekommen hat und man diesen Moment der ausgelassenen Stimmung im Sinne einer Rechtfertigung gerne mit Sinn füllen möchte.

Wie nachhaltig die gemachte Forderung ist, geht oft vergessen. Aber Nachhaltigkeit geht je mit einer langfristigen Betrachtung einher und langfristig bedeutet ja in letzter Konsequenz auch die Implikationen umfassend zu beurteilen. Eindimensionale Forderungen erfüllen jedoch diesen Anspruch eben meistens nicht, sondern schaffen mit der Lösung des einen Problems ein Neues – wovon man sich dann aber gerne wieder distanziert. Ganz im Sinne von: Solange mich das neue Problem nicht tangiert, ist es ja kein Problem. Aber damit werden genau die gleichen Mechanismen aktiviert, welche einen auf die Strasse getrieben haben. Sprich man predigt Wasser, trinkt aber Wein.

Natürlich soll man auf Missstände aufmerksam machen. Aber ist es nicht auch in Jeder-Fraus/Manns Verantwortung zu überlegen, welche langfristigen Auswirkungen das Ganze hat? Ist es nicht genau diese Werthaltung, welche von den Gegenseiten eingefordert wird? Natürlich dient eine Demo in der Regel dazu, Aufmerksamkeit zu generieren. Auch das ist richtig so – aber wenn das «Spot-Light» dann da ist, sollte man auch Teil der Lösung sein und den «Next Level» unterstützen, wenn es um die Umsetzung geht.

Sich für Interessen einsetzen ja – aber bitte mit Weitsicht und das Ganze dann bitte auch nachhaltig! 

Und hier möchte ich in aller Stärke betonen, dass das Einstehen und Einfordern von Menschenrechten wie BLM oder gegen Diskriminierung etc. bewusst von den Gedanken oben ausgenommen sind. Diese Themen sind in meinem Selbstverständnis nämlich ziemlich klar und nicht komplex. Zudem glaube ich an die Menschheit, dass diese Themen immer eine Mehrheit bekommen und in unserer Gesellschaft fest verankert sind und sein werden.